Herr Lehmann

Das sind ja Wahnsinnige, dachte Herr Lehmann masslos, während er, wie auf ein Wunder wartend, in der Nähe der Tür inmitten eines unerträglichen Hin und Hers verharrte, belästigt von Leuten, die sich im vorbeigehen wie sexuell unterzuckert an ihm rieben, obwohl er doch rücksichtsvoll darauf achtete, dass soviel Raum zwischen ihm und dem nächsten Hindernis blieb, dass auch der letzte motorische Idiot Platz zum reibungsfreien Vorbeikommen finden konnte. Frühstück, schon das Wort ist hassenswert, dachte er, wenn man so darüber nachdenkt, dachte er, was soll das überhaupt heisse, Frühstück, Frühstück, das frühe Stück, wahrscheinlich haben das mal irgendwelche Bauern erfunden, dachte er, während er immer wieder seine Position verändern musste, um den Frühstückern auszuweichen, die dauernd irgendwo aufstanden und auf dem Weg von irgendwo nach irgendwo, zum Klo und zurück oder wie auch immer, nie aber das Lokal verlassend, was das einzig akzeptable gewesen wäre, ihn bedrängten, irgendwelche Bauern, dachte er, die sich schon vor Sonnenaufgang irgendwelche Stücke von irgendwas auf ein Messer gespiesst in den Mund steckten, bevor sie rausgehen und ihre Knechte verprügeln, dachte.

Aber noch biederer und noch hässlicher als das Wort Frühstück sind die Frühstücker, wollte er sich innerlich nicht beruhigen, während er dort noch immer stand und darauf wartete, dass man ihn bemerkte, was ihm langsam peinlich wurde. Auch Frühstücker sind Menschen, aber warum müssen sie ihr furchtbares Hobby ohne Scham in die Öffentlichkeit tragen, dachte er, ohne in seiner Rage noch Halt zu finden, sie sind wie Nudisten oder Swinger oder so, dachte er, sie heben fettige Finger, und dann sagen Sie Dinge wie “Kann ich noch ein Ei haben” oder “Ich hatte noch einen Milchkaffe bestellt”, dachte Herr Lehmann, und dabei merken sie gar nicht, wie furchtbar das ist.

ISBN: 3-442-45684-3